Flagge und andere nationale Symbole
Nationalhymne
Die Nationalhymne des Landes wird «Istiklal Marsi» – Freiheits- oder Unabhängigkeitsmarsch genannt. Sie ging 1921 als Siegermarsch aus einem Wettbewerb hervor. Geschrieben wurde sie von Mehmet Akif Ersoy und die Vertonung stammt von Osman Zeki Ungör.
In einer Übersetzung von Eduard Zuckmayer lauten die ersten beiden Strophen: Getrost, der Morgenstern brach an,
Im neuen Licht weht unsre Fahn›.
Ja, du sollst wehen,
Solang ein letztes Heim noch steht, Ein Herd raucht in unserem Vaterland.
Du unser Stern, du ewig strahlender Glanz, Du bist unser, dein sind wir ganz.
Nicht wend› dein Antlitz von uns, O Halbmond, ewig sieggewohnt. Scheine uns freundlich
Und schenke Frieden uns und Glück,
Dem Heldenvolk, das dir sein Blut geweiht. Wahre die Freiheit uns, für die wir glühn,
Höchstes Gut dem Volk, das sich einst selbst befreit.
Flagge
Die Nationalflagge der Türkei besteht aus einem weißen Halbmond und einem weißen Stern auf rotem Grund. Es wird „al sancak“ – „rotes Banner“ genannt und kommt auch in der 1. Strophe der Hymne vor. Um die Bedeutung der Symbole ranken sich zahlreiche Mythen. Eine davon ist, dass ein osmanischer Sultan auf dem Ritt nach einer großen gewonnenen Schlacht bei Dämmerung an einem Bach oder an einem kleinen See vorbeiritt, welcher sich durch das Blut gefallener türkischer Soldaten rot gefärbt hatte. Im Wasser spiegelte sich der Mond mit einigen Sternen. Dieser Anblick berührte den türkischen Herrscher und dieses Bild wurde mit der türkischen Flagge verewigt.
Tatsächlich handelt es sich beim „Mondstern“ (ay yildizi) um Motive, die schon in vorislamischer Zeit im Zweistromland Verwendung fanden.
Die Verunglimpfung und Zweckentfremdung der Flagge, z.B. eine Verwendung als Kleidungsstück sind verboten. Es gelten genaue Vorschriften über Größe und Zuordnung der Symbole. An Staatsgebäuden muss sie ständig wehen, auch öffentliche Einrichtungen müssen sie setzen. Bei Feiertagen – ob religiös oder staatlich – wird sie im Rahmen einer Zeremonie gehisst. Auch im Schulalltag hatte dieses Ritual seinen festen Platz. So wurde die Woche früher verpflichtend mit dem Hissen/Einholen der Flagge und dem Singen der Hymne auf dem Pausenhof begonnen und beendet.
Atatürk-Büsten und Statuen
Ebenso präsent wie die Flagge sind Statuen und Büsten des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, die überall anzutreffen sind. Größere Plätze zieren sein Konterfei, Straßen, Gebäude und Einrichtungen sind nach ihm benannt. In allen öffentlichen Einrichtungen findet sich sein Bild, alle Geldscheine zeigen sein Gesicht. Am 10. November, seinem Todestag, wird die Flagge auf Halbmast gesetzt und um 9.05 Uhr, dem Todeszeitpunkt, ruht vielfach das öffentliche Leben. Sein Mausoleum, das Anit Kabir, in Ankara, ist eine nationale Gedenkstätte. Obwohl die Bedeutung Atatürks für die Türkei unangefochten bleibt, nimmt der Personenkult um den Staatsgründer langsam ab.
Heute werden Schulen und Universitäten auch nach den Staatspräsidenten Erdogan benannt, seine Person genießt innerhalb seiner Anhängerschaft ähnliche Verehrung wie ehemals Atatürk.
Staat
Die moderne Türkei ist die Erbin eines Weltreichs, das Anatolien, den Nahen Osten, Nordafrika und den Balkan umfasste. Auf dem Höhepunkt des Osmanischen Reiches hatte ganz Europa Kenntnis von seiner Macht, militärischen Stärke und Expansionslust. Am Ende wurde es als „Kranker Mann am Bosporus“ bezeichnet.
Der Stolz auf die Vergangenheit und die Erinnerung an die darauf folgende Machtlosigkeit prägen das Selbstverständnis der Türkei und ihr Verhältnis zu Europa bis heute. Für die Türken verbinden sich mit der Gründung des Nationalstaats ein positives Verständnis der Begriffe und eine starke Identitätsbildung. „Ne mutlu Türküm diyene“
– „Wie glücklich, der sagen kann: „Ich bin ein Türke!“ (Atatürk).
Das Bekenntnis zum Staat und zu Atatürk ist vielerorts sichtbar. Bei Fußballspielen überschwemmen Fahnenmeere das ganze Land. Atatürk-Porträts zieren auch Privathaushalte. Das gesellschaftlich anerkannte Militär wurde lange als einziger Garant des Nationalstaats und Hüter der Verfassung gesehen.
Die Identitätsbildung wird auch transportiert durch Aussagen Atatürks: „Türke, sei stolz, zuversichtlich und fleißig!“ (Atatürk).
Staatsaufbau, -organe
Bis zur vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahl im Juni 2018 war die Türkei eine parlamentarische Demokratie. Als Organe der Exekutive galten Staatspräsident, Ministerpräsident und der Ministerrat der Nationalversammlung.
Dem Verfassungsreferendum von 2017 gemäß wurde mit der Wahl die Funktion des Ministerpräsidenten abgeschafft, der Staatspräsident erhielt große Machtbefugnisse. Die Minister sind künftig Spitzenbeamte, die der Staatspräsident ernennen und entlassen kann. Der Staatspräsident kann künftig ein Veto gegen die vom Parlament beschlossenen Gesetze einlegen; das Parlament kann nur mit einer Mehrheit der Mitglieder dagegen angehen. Die Ausrufung von Neuwahlen obliegt dem Staatspräsidenten ebenso wie die Ernennung von 12 Richtern (insgesamt 15) des Verfassungsgerichts für 12 Jahre. Der Staatskontrollrat wird genauso von Staatsoberhaupt besetzt wie sechs der 12 Richter des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte. Das vergrößert den Einflussbereich auf die Judikative, auf ausreichende Kontrollmechanismen wurde verzichtet.
Das Recht per Dekret, zu regieren erlaubt dem Präsidenten Verordnungen ohne Zustimmungen des Parlaments zu erlassen. Dieses kann schriftlich Anfragen an Minister und Stellvertreter des Präsidenten richten, mit einer Mehrheit der Mitglieder ebenfalls für Neuwahlen sorgen und ernennt sieben Verfassungsrichter bzw. sechs Richter des Rats der Richter und Staatsanwälte.
Die Minister ernennen auf kommunaler Ebene den Gouverneur (vali) und die Landräte (kaymakam), die somit als Vertreter der Regierung agieren. Die wahlberechtigten Bürger wählen auf kommunaler Ebene die Muhtare (Ortsvorsteher), die kommunalen Parlamente und die Bürgermeister, auf staatlicher Ebene die Abgeordneten der Nationalversammlung und den Staatspräsidenten.
Verfassung
Laut Art. 2 der Verfassung ist die Türkei ein „nationaler, demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat“. In Artikel 5 wird definiert: „Die Grundziele und -aufgaben des Staates sind es, die Unabhängigkeit und Einheit des Türkischen Volkes, die Unteilbarkeit des Landes, die Republik und die Demokratie zu schützen, Wohlstand, Wohlergehen und Glück der Bürger und der Gemeinschaft zu gewährleisten, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse zu beseitigen, welche die Grundrechte und -freiheiten der Person in einer mit den Prinzipien des sozialen Rechtsstaates und der Gerechtigkeit nicht vereinbaren Weise beschränken, sowie sich um die Schaffung der für die Entwicklung der materiellen und ideellen Existenz des Menschen notwendigen Bedingungen zu bemühen.“ Der Schutz nationaler Werte hat somit einen großen verfassungsgemäßen Stellenwert.
Wer dagegen verstößt, kommt schnell mit der Gerichtsbarkeit in Kontakt. Im §301 des Strafgesetzbuchs ist der Schutz des Türkentums verankert. Sogar Orhan Pamuk, Literaturnobelpreis-Träger 2006, wurde der Verunglimpfung des Türkentums angeklagt, weil er den Massenmord an den Armeniern offen angesprochen hatte.
Nach jeden Putsch wurde die Verfassung modifiziert und durch Volksabstimmung ratifiziert. Im Zuge der EU-Fortschrittsdebatte (2002) wurden zahlreiche gesetzliche Veränderungen erreicht, deren Umsetzung die Alltagsrealität nur in Teilen erreicht hat. 2010 kam es zu einem Verfassungsreferendum, das mit hoher Beteiligung angenommen wurde. Der Staatspräsident wird seitdem direkt durch das Volk für fünf Jahre gewählt, der Einfluss des Militärs eingeschränkt.
Die Erarbeitung einer zivilen Verfassung stand immer wieder auf der politischen Tagesordnung. Viele Versuche scheiterten, bis im April 2017 bei einem Referendum das von Erdogan favorisierte Präsidialsystem mit knapper Mehrheit angenommen wurde. Dieses beschert dem Staatspräsidenten umfangreiche Macht- und Entscheidungsbefugnisse. Mit der Präsidentschafts- und Parlamentswahl vom Juni 2018 traten die Änderungen in Kraft.
Wahlsystem
Das türkische Parlament, die Große Türkische Nationalversammlung, besteht aus 589 Abgeordneten, die in «gleichen, allgemeinen und freien Wahlen» alle fünf Jahre gewählt werden (Art. 67). Das aktive und seit 2017 auch das passive Wahlalter liegen bei 18 Jahren. Es gilt eine landesweite Zehn- Prozent-Hürde für den Einzug einer Partei ins Parlament. Diese Klausel wird verbunden mit dem Argument einer Sicherung der Regierungsparteien und soll einer Zersplitterung der Parteienlandschaft entgegenwirken. Im Juni 2015 gelang es der prokurdischen Partei HDP die 10%- Klausel zu übertreffen und mit einem Wahlergebnis von 12,7% (Ergebnis bei den November-Wahlen 2015: 10,8%) in die Türkische Nationalversammlung einzuziehen. Auch im Juni 2018 erreichte die HDP 11,7%.
Es besteht Wahlpflicht, die aber in der Praxis nicht nachgehalten wird. Der Hohe Wahlrat, bestehend aus der aus Richtern, bereitet die Wahl vor und überprüft deren Durchführung. Die Mitglieder dieses Gremiums werden vom Staatspräsidenten selbst ausgewählt. Sie stellen fest, welche Parteien die 10%-Hürde geschafft haben. Die Listen dieser Parteien nehmen dann am sogenannten d’Hondt’schen Auszählsystem teil. Dabei werden auch die unabhängigen Kandidaten berücksichtigt. Zeitgleich mit dem Parlament wird auch der Staatspräsident, der mit großen Befugnissen ausgestattet ist, gewählt. Das Amt des Ministerpräsidenten entfällt.
Letzte Wahlen
Die letzte Kommunalwahl in der Türkei 2019 fand am 31. März 2019 in allen 81 Provinzen der Türkei statt. Neben Ober- und Stadtteilbürgermeistern wurden Stadt- und Provinzräte sowie Muhtare (Ortsvorsteher) gewählt. Wie auch schon bei der Parlamentswahl 2019 traten auch bei dieser Wahl mehrere Parteien in Bündnissen an und verzichteten in einigen Städten bzw. Kreisen auf eigene Kandidaten. Die Volksallianz ist eine Verbindung von AKP und MHP, das Bündnis der Nation besteht aus CHP und Iyi Parti. Das Wahlergebnis, das die CHP mit Ekrem Imamoglu in Istanbul als Gewinner vorsah, wurde im Mai 2019 von der Wahlkommission auf Betreiben der AKP annuliert. Die CHP siegte auch in Ankara knapp vor der AKP. Dieses Ergebnis wurde nicht angefochten. Imamoglu setzte sich auch in der Wiederholung durch und ist seitdem Bürgermeister von Istanbul.
Bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 mit einer Wahlbeteiligung von 86% wurde die AKP trotz deutlicher Verluste wieder stärkste Partei und blieb landesweit agierender Akteur. Mit dem überraschenden Einzug der prokurdischen HDP ins Parlament wuchs die Hoffnung auf einen nachhaltigen Friedensprozess und die Lösung der Kurdenfrage. Die politische Landschaft zeigte sich verändert, die Kraft des Parlaments gestärkt, einer weiteren Machtausbreitung um Erdogan erst Einhalt geboten. Die Sitzverteilung (Juni 2015) bescheinigte der AKP 258, der CHP 132 Sitze. Die MHP erreichte 81, der Überraschungssieger HDP 79 Sitze. Außerdem kamen 2 Unabhängige ins Parlament. Weil im Verlauf von 45 Tagen aufgrund von ideologischen Gegensätzen keine Regierung gebildet werden konnte, kam es am 1. November 2015 zu vorgezogenen Neuwahlen, die der AKP wieder ihre absolute Mehrheit bestätigte. Die AKP als stärkste Kraft erhielt 49,5%, die CHP 25,3%, die MHP 11,9% und die HDP zog erneut mit 10,8% in die Nationalversammlung ein.
Die von 2019 auf 2018 vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahl war gleichzeitig der Moment der Umsetzung des neuen Regierungssystems. Die AKP bildete mit der rechtsnationalen MHP ein Wahlbündnis, auch auf Seiten der Opposition schlossen sich CHP, Iyi Parti, Saadet Parti (SP) und Demokrat Parti (DP) zusammen, um den Sieg Erdogans zu verhindern. Eine Veränderung des Wahlsystems machte es möglich, dass die Zehnprozent-Hürde für Bündnisse, aber nicht für einzelne Bündnispartner gelten muss.
Erdogan hat die Präsidentschaftswahl mit 52,6% gewonnen und steht bis zum symbolträchtigen Jahr 2023 an der Spitze des Staates mit all den mit dem Amt verbundenen Machtbefugnissen. Sein Herausforderer Muharrem Ince erhielt 30,6% der Wählervotums. Obwohl im Gefängnis erreichte Selahattin Demirtas 8,4%.
Die AKP wurde stärkste Partei mit 42,6%, gefolgt von der CHP mit 22,6%: HDP und MHP kamen auf über 10%. Iyi Parti und Saadet Parti ergänzen das Oppositionssprektrum. Insgesamt ist das Parlament nationalistischer geworden, aber gerade das Zusammenkommen des Parteienbündnisses «Millet Ittfaki» mit CHP, IYI Parti und Saadet Parti zeigt, dass über ideologische Grenzen hinweg, politische Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele möglich sind.
Die Texte stammen von Martina Simon. Sie arbeitete mehrere Jahre in Istanbul im Bildungssektor und spricht fließend türkisch. Ihre Kernkompetenz liegt in der Kommunikation. Die GIZ und die Autorin ist informiert worden, dass das ehemalige Länderportal auf meiner touristischen Länderseite zur Türkei zumindest textlich weiterbesteht.